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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils IV 2013/625: Versicherungsgericht

Die Chambre des Tutelles des Kantonsgerichts behandelt den Einspruch von W.________ gegen die Entscheidung des Friedensrichters des Bezirks Lavaux-Oron in Bezug auf A.D.________. A.D.________ ist der Sohn von B.D.________ und W.________. Nach dem Tod von B.D.________ wurde eine Vormundschaftsmassnahme zugunsten von A.D.________ eingeleitet. Es wurde entschieden, dass A.D.________ das Erbe seiner Mutter annehmen kann. W.________ beantragte, Gelder für einen Sprachaufenthalt seines Sohnes zu verwenden und weitere Beträge für dessen Unterhalt zu entnehmen. Das Gericht erlaubte den Sprachaufenthalt, lehnte jedoch die jährliche Entnahme von 15'000 CHF ab. W.________ legte gegen diese Entscheidung Rekurs ein, der teilweise angenommen wurde. Der Richter erlaubte den Transfer der Gelder von der Raiffeisenbank zur Banque Cantonale Vaudoise, lehnte jedoch die jährliche Entnahme ab.

Urteilsdetails des Kantongerichts IV 2013/625

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2013/625
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2013/625 vom 21.12.2015 (SG)
Datum:21.12.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 28 IVG: Rentenanspruch. Art. 43 Abs. 1 ATSG: Sachverhaltsabklärungen. Psychische Erkrankungen (und damit deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit) können oft erst nach einer langen Behandlungsdauer genau diagnostiziert werden. Deshalb kann es zur korrekten Ausführung der Untersuchungspflicht notwendig sein, mit dem Entscheid zuzuwarten, bis sich die Situation klärt und eine eindeutige Diagnose gestellt werden kann. Rückweisung zur ergänzenden Abklärung (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Dezember 2015, IV 2013/625).
Schlagwörter : IV-act; Persönlichkeit; Arbeit; Persönlichkeitsstörung; Diagnose; Abklärung; Beruf; Prozent; Bericht; Arbeitsfähigkeit; Gesundheit; Diagnosen; Verfügung; IV-Stelle; Behandlung; Invalidität; Psychiater; Einkommen; Valideneinkommen; Rente; Beurteilung; Eingliederung; Person; ätte
Rechtsnorm:Art. 16 ATSG ;Art. 43 ATSG ;Art. 7 ATSG ;
Referenz BGE:134 V 325; 99 V 102;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts IV 2013/625

Entscheid Versicherungsgericht, 21.12.2015

Entscheid vom 21. Dezember 2015

Besetzung

Vizepräsidentin Miriam Lendfers, Versicherungsrichter Joachim Huber und Ralph Jöhl; Gerichtsschreiberin Sandra Stefanovic

Geschäftsnr. IV 2013/625

Parteien

A. ,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Studer, Studer Anwälte AG,

Hauptstrasse 11a, 8280 Kreuzlingen,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

Gegenstand Rente Sachverhalt A.

    1. A. meldete sich am 15. November 2011 zum Bezug von IV-Leistungen an

      (IV-act. 1 ff.). Mit Schreiben vom 22. November 2011 wurde sie zur medizinischen Abklärung durch den Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) aufgeboten (IV-act. 10). RADArzt Dr. med. B. berichtete am 5. Dezember 2011, bei der Versicherten lägen eine Borderline-Persönlichkeit (gemäss Psychiatrischer Tagesklinik C. [IV-act. 54]), eine mittelgradig ausgeprägte Angst und Depression (gemischt), eine Anorexia nervosa, eine rezidivierende belastungsabhängige Lumbalgie bei Hyperlaxität sowie eine Belastungsinsuffizienz des rechten Kniegelenkes bei Status nach Patella-Operation vor. Aufgrund der psychiatrischen Erkrankungen sei die Versicherte in ihrer angestammten Tätigkeit als Bürokauffrau deutlich leistungslimitiert, zumal der Beruf nicht neigungsbedingt erlernt worden sei. Auf die körperliche Problematik des unteren Rückens und des rechten Knies müsse in einer neu anvisierten Tätigkeit Rücksicht genommen werden. Vom klinischen Bild her könne die 50-prozentige Krankschreibung durch den behandelnden Psychiater gut nachvollzogen werden. Der RAD empfahl vorerst eine berufliche Abklärung bzw. einen Belastungsaufbau im geschützten Rahmen. Die Versicherte führe bereits selbstständig eine Psychotherapie weiter (IV-act. 18).

    2. Die Eingliederungsverantwortliche stellte daraufhin fest, dass die Versicherte in ihrer bisherigen Tätigkeit zu 50 Prozent arbeitsfähig sei, jedoch in einer adaptierten Tätigkeit 100 Prozent arbeitsfähig sein könne. Es sei ein Abklärungsauftrag an die Berufsberatung zu erteilen (IV-act. 20). Mit Mitteilung vom 10. Januar 2012 wurden der Versicherten eine Berufsberatung und eine Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten gewährt (IV-act. 22). Im Assessmentgespräch äusserte die Versicherte den Wunsch, sich im sozialen Bereich umschulen zu lassen (z.B. Gassenküche, Projekte mit Migranten, Arbeiten mit Tieren). Die Eingliederungsverantwortliche befürchtete, dass der Versicherten hier die Abgrenzung schwer fallen würde. Sie scheine gesundheitlich noch instabil und wenig belastbar zu sein. Eine berufsberaterische Entscheidung sei verfrüht, weshalb eine sozialberufliche Rehabilitationsmassnahme bei der D. in die Wege geleitet werde. Die Sachbearbeiterin hielt weiter fest, dass die Versicherte bereits seit längerem aus dem Arbeitsprozess ausgeschlossen sei, aber aus Goodwill einen Soziallohn vom Vater beziehe (Geschäftsführer ihrer ehemaligen Arbeitgeberin; vgl. IV-act. 25). Am 24. Mai 2012 erteilte die IV-Stelle der Versicherten eine Kostengutsprache für ein Belastbarkeitstraining als Integrationsmassnahme für die Dauer vom 30. April bis 20. Juli 2012 (IV-act. 32). Diese wurde vorzeitig beendet (IV-act. 43). Die Eingliederungsverantwortliche hielt in ihrem Schlussbericht vom 15. Juni 2012 fest, dass wegen der vielen Fehlzeiten der Versicherten (Krankheit des Kindes; gebrochenes Fingergelenk) von der D. keine abschliessende Einschätzung habe vorgenommen werden können. Da der sehr tief gehaltene Druck der Integrationsmassnahme die Versicherte bereits nahezu überfordert habe, sei die Nachhaltigkeit weiterer Integrationsbemühungen anzuzweifeln (IV-act. 38).

    3. Zur Klärung der versicherungsmedizinischen Leistungsansprüche für eine Invalidenrente gab die IV-Stelle ein bidisziplinäres Gutachten (rheumatologischpsychiatrisch) in Auftrag (IV-act. 46). Die IV-Stelle stellte den Gutachtern die folgenden medizinischen Berichte zur Verfügung: Dr. med. E. , Klinik F. für Psychiatrie, Psychotherapie und Suchtbehandlung, hatte am 26. Januar 2006 berichtet, die Ver sicherte leide an einer mittelgradig depressiven Episode (ICD-10 F32.1) und es bestehe der Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidenden und wahrscheinlich narzisstischen Anteilen (ICD-10 F60.8), wobei für letzteres der Beobachtungszeitraum zu kurz gewesen sei, um eine Diagnose mit Sicherheit stellen

      zu können. Bereits nach wenigen Tagen habe die Patientin um Entlassung gebeten, da sie sich nicht auf die stationäre psychiatrische Behandlung habe einlassen können (IVact. 63). Gemäss dem Austrittsbericht vom 7. Juli 2011 des Psychiatrischen Zentrums C. hatten die Fachpsychologen für Psychotherapie lic. phil. G. und lic. phil.

      H. bei der Versicherten eine akzentuierte Persönlichkeit mit abhängigen und emotional instabilen Zügen (ICD-10 Z71.3) auf dem Hintergrund einer BorderlinePersönlichkeitsorganisation, Status nach leichter depressiver Episode sowie Verdacht auf Essstörung diagnostiziert (IV-act. 54/6). Sie hatten angegeben, es sei mit einer Teilarbeitsfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit von 50 Prozent zu rechnen (IV-act. 54/8). Der aktuell behandelnde Psychotherapeut Dr. I. , FMH Psychiatrie und Psychotherapie, reichte auf Anfrage der IV-Stelle am 18. Oktober 2012 einen Bericht über die medizinische Situation der Versicherten ein, welcher ebenfalls den Gutachtern zugestellt wurde (IV-act. 58). Gemäss diesem Bericht litt die Versicherte seit Jahren an einer Persönlichkeitsstörung emotional instabiler Ausprägung (ICD-10 F60.3). Sie war seit Juni 2011 bis auf Weiteres bei ihm in ambulanter Behandlung und seitdem bis auf Weiteres zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig. Er betrachtete es als sehr wahrscheinlich, dass eine verminderte Leistungsfähigkeit vorliege. Die Versicherte sei nämlich im Konzentrationsund Auffassungsvermögen, in der Anpassungsfähigkeit sowie in der Belastbarkeit eingeschränkt (IV-act. 57).

    4. Zur Beurteilung der rheumatologischen Situation der Versicherten holte die beauftragte Gutachterin Dr. med. J. , FMH Rheumatologie, weitere Berichte ein. Aus diesen Berichten ergab sich, dass im Jahr 2005 eine Knieoperation durchgeführt worden war (IV-act. 63/63). Damals war auch ein lumbovertebrales Schmerzsyndrom bedingt durch Morbus Scheuermann (IV-act. 63/66; S-Skoliose und Flachrücken [IVact. 63/70]) festgestellt worden. Im Jahr 2007 war eine Bandraffung am rechten Sprunggelenk vorgenommen worden (IV-act. 63/69). Neben der Beurteilung der Aktenlage und den fremdanamnetischen Angaben veranlasste Dr. J. beim Institut für Rechtsmedizin, Zürich, zur Abklärung eines allfälligen Drogenkonsums eine Haaranalyse der Versicherten. Dabei wurde der Konsum von MDMA (Extasy, XTC, Designeramphetamin) im Zeitraum von Ende Mai bis Ende Oktober 2012 nachgewiesen (IV-act. 63/31; 63/52). Dr. J. kam aufgrund ihrer Untersuchung zum Schluss, dass aus rheumatologischer Sicht keine Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit vorliege (IV-act. 63/45). Die Versicherte könne „sämtliche Tätigkeiten ausüben, die

      Frauen üblicherweise machen können“. Die Versicherte sei zu 100% arbeitsfähig (IVact. 63/47). Bei der Untersuchung der maximalen Handkraft sei eine Selbstlimitierung festzustellen gewesen. Ferner habe die Versicherte offensichtlich falsche Angaben zum Drogenkonsum gemacht (IV-act. 63/49).

    5. Die psychiatrische Begutachtung wurde durch Dr. med. K. , FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vorgenommen. Dr. K. erachtete die Diagnosen der Akzentuierung der emotional instabilen und abhängigen Persönlichkeitszüge (ICD-10 Z73.1) mit Differentialdiagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F61.0) sowie einer leichten depressiven Episode, gegenwärtig remittiert (ICD-10 F32.4), als sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirkend. Der anamnetische Zustand nach einer Bulimie nervosa (ICD-10 F50.2), der schädliche Extasy-Gebrauch (ICD-10 F15.1) sowie der Nikotinabusus (ICD-10 F17.1) hätten hingegen keine Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit. Der Austrittsbericht der Klinik F. sei in Bezug auf die dort gestellten Hauptdiagnosen sowie in Bezug auf die erhobenen psychopathologischen Befunde bei Eintritt und Hospitalisationsverlauf sehr widersprüchlich. Dr. K. schloss eine depressive Störung aus und ging davon aus, dass bei der Versicherten im Jahr 2006 akzentuierte Persönlichkeitszüge mit Störung der Affektkontrolle vorgelegen hätten. Weiter ging er aufgrund der anamnetischen Angaben seit 2011 davon aus, dass bei der Versicherten eine Akzentuierung der Persönlichkeitszüge angenommen werden könne. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass der weitere Verlauf doch tiefgreifende Persönlichkeitsdefizite mit anhaltender Störung der Impulsund Affektkontrolle zeigen werde. Das sei auch der Grund, weshalb er differentialdiagnostisch eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen und abhängigen Zügen aufgeführt habe. Er erachtete die Versicherte sowohl in ihrer angestammten als auch in einer adaptierten Tätigkeit zu 50 Prozent arbeitsfähig, wobei die Versicherte für Tätigkeiten mit sehr hohen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit (wie z.B. enge Teamarbeit, Arbeit mit viel Kundenkontakt Arbeit unter vielen äusseren Reizen) nicht geeignet sei. Dr. K. empfahl, im Mai/Juni 2013 eine Verlaufsbeurteilung durch den behandelnden Psychiater einzuholen (IV-act. 64/8 f.). Zusammenfassend hielten Dr. J. und Dr. K. fest, dass sich allein die psychiatrischen Diagnosen (ICD-10 Z73.1 bzw. ICD-10 F61.0 und ICD-10 F32.4) auf die Arbeitsfähigkeit auswirkten und dass die Versicherte sowohl in der angestammten als auch in einer adaptierten Tätigkeit noch zu 50 Prozent arbeitsfähig sei (IV-act. 64/10 f.).

      Der RAD stellte am 4. Februar 2013 fest, dass in der psychiatrischen Beurteilung des Gutachtens die Belastungserprobung in der D. nicht integriert worden sei. Aus Sicht des RAD legten die Berichte über das Belastungstraining nahe, dass die Belastbarkeit der Versicherten deutlich eingeschränkt sei. Dies spreche eher für eine Persönlichkeitsstörung als für eine Persönlichkeitsakzentuierung. Der RAD empfahl im Mai/Juni 2013 einen Verlaufsbericht des behandelnden Psychiaters einzuholen (IV-act. 65).

    6. Dr. I. reichte auf Anfrage der IV-Stelle am 11. Juni 2013 einen Verlaufsbericht ein. Er beurteilte den Gesundheitszustand der Versicherten als stationär und stabil auf deutlich eingeschränktem Funktionsund Leistungsniveau. Es bestehe keine Änderung der Diagnose. Aufgrund der Konzentrationsstörungen, der gestörten sozialen Interaktionen, der labilen Verbindlichkeit und der unberechenbaren Affektlage sei die Versicherte in ihrer bisherigen Tätigkeit eingeschränkt. Die Verminderung der Leistungsfähigkeit sei ungeklärt, liege jedoch über 60 Prozent. Betreffend andere zumutbare Tätigkeiten stellte Dr. I. in Frage, ob überhaupt praktische Rahmenbedingungen geschaffen werden könnten, die das Leistungspotential der Versicherten aktivieren könnten (IV-act. 82). Der RAD beurteilte den Bericht von Dr.

      I. als nicht eindeutig. Er schlug vor, auf die gutachterlich attestierte 50-prozentige Arbeitsfähigkeit in der angestammten sowie in einer adaptierten Tätigkeit abzustellen, wobei zu bedenken sei, dass der bisherige Behandlungszeitraum erst kurz währe und dass ein „fraglich stabiler Gesundheitszustand“ bestehe (IV-act. 84).

    7. Die IV-Stelle nahm am 16. August 2013 den Einkommensvergleich vor. Dieser basierte auf dem letzten Einkommen der Versicherten aus dem Jahr 2011 in Höhe von Fr. 61‘100.-als Valideneinkommen. Die IV-Stelle schätzte das Invalideneinkommen gleich hoch ein, so dass im Ergebnis eine invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse von 0 Prozent vorlag (IV-act. 87). Zur Begründung führte die IV-Stelle an, dass die vorliegenden psychiatrischen Diagnosen nicht invalidisierend seien. Der Versicherten sei es zumutbar, in ihrer angestammten Tätigkeit als kaufmännische Angestellte ein Jahreseinkommen von Fr. 61‘100.-zu erzielen (IV-act. 88/3).

    8. Mit einem Vorbescheid vom 30. August 2013 wurde der Versicherten angezeigt,

dass sie keinen Rentenanspruch habe und ihr Leistungsbegehren deshalb abgewiesen

werde (IV-act. 90). Daraufhin liess die nun anwaltlich vertretene Versicherte am 10. Oktober 2013 Stellung nehmen (IV-act. 104). Der Rechtsvertreter ersuchte darum, der Versicherten mit Wirkung ab 1. Mai 2012 eine ganze Rente zuzusprechen, eventualiter ergänzende Abklärungen vorzunehmen und anschliessend neu zu entscheiden. Die IVStelle gehe ohne weitere Begründung, entgegen dem IV-Gutachten von Dr. K. und den mehrfachen Stellungnahmen des RAD sowie übrigen fachmedizinischen Beurteilungen, davon aus, dass die vorliegenden psychiatrischen Diagnosen nicht invalidisierend seien und dass eine volle Arbeitsfähigkeit im angestammten Beruf bestehe. Im Vorbescheid sei nicht dargetan, weshalb der Versicherten tatsachenund aktenwidrig zuzumuten sei, ihre psychische Erkrankung vollständig zu überwinden. Effektiv liege keine Erwerbsfähigkeit über 30 Prozent vor, weshalb der Versicherten eine ganze Rente zuzusprechen sei (IV-act. 104). Die IV-Stelle erliess am 6. November 2013 die angekündigte Abweisungsverfügung (IV-act. 107).

B.

    1. Die Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführerin) liess am 11. November 2013 Beschwerde gegen die Abweisungsverfügung erheben. Ihr Rechtsvertreter beantragte deren Aufhebung und die Zusprache einer ganzen Rente mit Wirkung ab 1. Mai 2012. Eventualiter sei die Sache zur Vornahme ergänzender Abklärungen und anschliessender neuer Verfügung an die Verwaltung zurückzuweisen. Zur Begründung führte der Rechtsvertreter an, dass die Verfügung unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen sei, da sie sich nicht mit seinem Einwand vom 10. Oktober 2013 auseinandergesetzt habe. Der Rechtsvertreter brachte deshalb die im Einwandverfahren vorgebrachten Gründe gegen die Abweisung des Rentenanspruchs nochmals vor. Weiter betonte er, im Jahr 2006 sei erstmals fachärztlich festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin an einer Persönlichkeitsstörung leide; dies spiegle sich auch in späteren psychiatrischen Berichten wieder. Selbst der RAD-Arzt Dr. B. habe das Vorliegen eines invalidisierenden Gesundheitsschadens mit mehreren Diagnosen bestätigt. Den Akten sei zu entnehmen, dass die psychischen Leiden seit der Jugend bestünden. Der behandelnde Psychiater therapiere die Beschwerdeführerin regelmässig; er habe bei ihr eine seit Jahren bestehende emotional instabile Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.3) festgestellt. Zudem sei die differentialdiagnostisch festgestellte kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F61)

      schwerer zu diagnostizieren als vergleichsweise F60-Diagnosen. Auch sprächen der Bedarf nach einer psychiatrischen Spitex (vgl. IV-act. 54/8) und einer Verbeiständung (vgl. IV-act. 80/2 ff.; IV-act. 91) für eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit. In casu liege ein invalidisierender, willentlich nicht überwindbarer Gesundheitsschaden vor, den die IV-Stelle (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) grundsätzlich anerkannt habe, da sie der Beschwerdeführerin bereits berufliche Massnahmen zugesprochen habe (G.1).

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragte am 3. Februar 2014 die Abweisung der Beschwerde. Sie begründete ihren Antrag damit, dass Z-codierte Diagnosen (wie hier ICD-10 Z73.1) keine rechtserhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung darstellten. Dazu verwies sie auf einen Entscheid des Bundesgerichts. Sie führte weiter aus, eine remittierte also aktuell nicht vorhandene leichte depressive Episode könne keine Einschränkung bewirken. Leichte bis höchstens mittelschwere psychische Störungen seien zudem im Prinzip und gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung therapeutisch angehbar. Im Übrigen finde die Akzentuierung von Persönlichkeitszügen ihre hinreichende Erklärung in psychosozialen und soziokulturellen Umständen, womit kein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden vorliege (G.4).

    3. Am 17. Februar 2014 hielt der Rechtsvertreter an den in der Beschwerde vorgebrachten Anträgen fest. Er brachte vor, dass der Sachverhalt des von der Beschwerdegegnerin erwähnten Bundesgerichtsurteils nicht mit dem vorliegenden gleichzusetzen sei. Im Übrigen führe die Beschwerdegegnerin diejenigen Urteile des Bundesgerichts nicht auf, die bei leichten bis mittelschweren depressiven Episoden eine Invalidität bestätigt hätten (G.6).

    4. Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf die Einreichung einer Duplik (G.7). Am

11. August 2015 reichte der Rechtsvertreter einen Bericht des behandelnden Psychiaters Dr. I. vom 18. Juni 2015 ein. Dieser psychiatrische Bericht diente der Beantragung der Kostengutsprache bei der Krankenversicherung und richtete sich an den zuständigen vertrauensärztlichen Dienst. Gemäss Dr. I. hatten sich seit Behandlungsbeginn im Juni 2011 bei der Beschwerdeführerin wiederholt psychische Krisen mit einer knapp vermeidbaren Dekompensation ereignet. Der Psychiater diagnostizierte eine angstgeprägte, wahrnehmungsverzerrende und

kommunikationsbehindernde Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.3/8), ein selbstschädigendes Verhalten (ICD-10 Z72.8), ein depressives Zustandsbild, rezidivierend (ICD-10 F33) sowie Probleme in der primären Bezugsgruppe (ICD-10 Z63). Zwecks Erhaltung einer minimalen psychischen Stabilität der Beschwerdeführerin und zwecks einer zunehmenden sozialen und eventuell beruflichen Integration sei die Fortsetzung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Begleitung sowohl von der Beschwerdeführerin erwünscht als auch medizinisch-therapeutisch langfristig unabdingbar (G.9.1).

Erwägungen

1.

    1. Invalidität ist die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Nach Art. 28 Abs. 1 des Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; 831.20) besteht der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, wenn die versicherte Person mindestens zu 70%, derjenige auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie mindestens zu 60% invalid ist. Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50% besteht Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% Anspruch auf eine Viertelsrente. Für die Bemessung der Invalidität von erwerbstätigen Versicherten ist gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG Art. 16 ATSG anwendbar.

    2. Gemäss Art. 16 ATSG wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das eine versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre

      (sog. Valideneinkommen). Mit den beiden Vergleichseinkommen werden zwei verschiedene Berufskarrieren ziffernmässig bewertet. Mit anderen Worten ist in einem ersten Schritt zu fragen, wie die Berufskarriere der betroffenen Person hypothetisch verlaufen wäre, wenn sie nicht invalid geworden wäre. In einem zweiten Schritt ist zu fragen, welche Berufskarriere die betroffene Person in Anbetracht ihrer Invalidität einschlagen könnte, wobei der Schadenminderungspflicht wesentliche Bedeutung zukommt. Unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit ist hinsichtlich der Invalidenkarriere entscheidend, auf welche Weise die versicherte Person ihre verbliebene Erwerbsfähigkeit bestmöglich verwerten könnte. Für beide Karrieren sind schliesslich die entsprechenden Verdienste zu bestimmen, anhand welcher der Invaliditätsgrad prozentgenau bestimmt werden kann.

    3. Was die Ermittlung des Valideneinkommens anbelangt, ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 134 V 325 E. 4.1). Theoretisch vorhandene berufliche Entwicklungsoder Aufstiegsmöglichkeiten sind nur dann beachtlich, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wären. Für die Annahme einer mutmasslichen beruflichen Weiterentwicklung ist insbesondere erforderlich, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, eine versicherte Person hätte einen beruflichen Aufstieg und ein entsprechend höheres Einkommen auch tatsächlich realisiert, wäre sie nicht invalid geworden. Blosse Absichtserklärungen genügen nicht (Urteil des Bundesgerichts vom 15. Januar 2009, 8C_638/2008, E. 4.3). Vielmehr muss die Absicht, beruflich weiterzukommen, bereits im Zeitpunkt des Unfalls durch konkrete Schritte wie Kursbesuche, Aufnahme eines Studiums, Ablegung von Prüfungen usw. kundgetan worden sein (Urteil des Bundesgerichts vom 12. November 2009, 8C_550/2009, E. 4.1)

    4. Die Beschwerdeführerin hat eine Berufslehre als kaufmännische Angestellte (IVact. 5/3) mit kaufmännischer Berufsmatura (IV-act. 5/1 f.) abgeschlossen. Zusätzlich hat sie die international anerkannten Diplome „First Certificate in English“ und

„Certificate in Advanced English“ der Universität L. abgelegt (IV-act. 5/4 ff.). Um in der Erwachsenenbildung tätig sein zu können, hat sie versucht, die höchste EnglischQualifikation (Certificate of Proficiency in English) zu absolvieren. Gemäss ihren eigenen Aussagen hat sie diese aber aufgrund einer persönlichen Krise knapp nicht erreicht (IV-act. 54/6). Die Beschwerdegegnerin hat sich beim Einkommensvergleich auf den zuletzt erzielten Lohn als kaufmännische Angestellte aus dem Jahr 2011 als Valideneinkommen abgestützt. Die Beschwerdegegnerin hat aber bei der Festsetzung des Valideneinkommens nicht miteinbezogen, dass die Beschwerdeführerin über eine Berufsmaturität verfügt. Bei vorhandener Berufsmatura ist eine Weiterbildung berufliche Umorientierung nicht unüblich. Als Indizien dafür sprechen das im Rahmen von psychotherapeutischen Sitzungen geäusserte Berufsziel der Erwachsenenbildnerin sowie die Angaben, dass die Beschwerdeführerin die Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich nicht neigungsbedingt erlernt habe (vgl. IV-act. 54/6). Eine berufliche Umorientierung und Weiterbildung erscheint wahrscheinlich, zumal die Beschwerdeführerin bereits zwei Diplomprüfungen abgelegt und damit konkrete Schritte getätigt hat. Eine Ausnahme gemäss Rechtsprechung kann aber nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Da dieser Aspekt bei der Sachverhaltsabklärung vernachlässigt worden ist, fehlen dem Gericht genügend Anhaltspunkte, um abschliessend beurteilen zu können, ob eine konkrete Weiterbildung angestrebt nur eine Absichtserklärung getätigt wurde. Die Beschwerdegegnerin wird noch abzuklären haben, von welcher Berufskarriere bei der Bemessung des Valideneinkommens auszugehen ist. Dabei ist folgendes zu berücksichtigen: Bei der zuletzt im Jahr 2011 ausgeübten Tätigkeit im Sekretariat des Geschäftes ihres Vaters hat die Beschwerdeführerin ein Monatseinkommen von Fr. 4‘700.-bezogen (IV-act. 12). Sie sei wegen der angespannten Beziehung zum Vater ständig unter Druck gestanden, weshalb sie das Pensum von 100 auf 50 Prozent reduziert habe. Gleichzeitig habe sie sich aber nicht gefordert gefühlt und nur einfachste Büroarbeiten zur Erledigung erhalten (IV-act. 64/5). Auch nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Juli 2011 habe der Vater den Lohn aus Goodwill bis auf Weiteres und in gleicher Höhe weitergezahlt (IV-act. 25). Da der Vater nach Eintritt der

Arbeitsunfähigkeit offenbar einen Soziallohn gezahlt hat, stellt sich die Frage, ob das letzte Einkommen überhaupt zur Bemessung des Valideneinkommens beigezogen werden kann. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Beschwerdeführerin bei Antritt dieser Stelle bereits gesundheitlich eingeschränkt gewesen ist, da sie seit der Jugend immer wieder mit psychischen Problemen gekämpft hat (vgl. IV-act. 54/5 f.). Eine Arbeitsstelle, die einen geschützten Rahmen geboten hat, kann nicht wiederspiegeln, welches Einkommen die Beschwerdeführerin auf dem regulären Arbeitsmarkt erzielen könnte, wenn sie nicht gesundheitlich beeinträchtigt wäre. Die Beschwerdegegnerin hat das Valideneinkommen ohne berufsberaterische Abklärungen festgesetzt. Sie hat weder die intellektuellen Fähigkeiten der Versicherten noch die seit Jugend bestehende psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Ebenfalls ausser Acht gelassen hat sie den Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit abnehmender Leistungsfähigkeit bis zur gänzlichen Arbeitsunfähigkeit eine Stelle mit Soziallohn vom Vater besetzt hat. Das Einkommen der theoretischen Berufskarriere muss genauer abgeklärt und neu ermittelt werden.

2.

    1. Bei der Ermittlung des Invalideneinkommens geht die Beschwerdegegnerin davon aus, dass es der Beschwerdeführerin zumutbar sei, in ihrer angestammten Tätigkeit als kaufmännische Angestellte bei einem Pensum von 100 Prozent ein Jahreseinkommen von Fr. 61‘100.-zu erzielen (IV-act. 88/3). Weil die Beschwerdeführerin zu 100 Prozent adaptiert arbeitsfähig sei, bestehe keine invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse. Diese Einschätzung ist schon deshalb nicht vollumfänglich überzeugend, weil sie den RAD-Stellungnahmen und den Einschätzungen der Eingliederungsverantwortlichen widerspricht. Der RAD hat nämlich in Berücksichtigung des in Auftrag gegebenen Gutachtens den Schluss gezogen, dass in Anbetracht des Berichts über das Belastungstraining eine Persönlichkeitsstörung wahrscheinlicher sei als eine blosse Persönlichkeitsakzentuierung (IV-act. 65). Die von Dr. K. im Falle des Vorliegens akzentuierter Persönlichkeitszüge (anstelle einer Persönlichkeitsstörung) vage prognostisch ab Juni 2013 für möglich gehaltene Wiedererlangung einer vollen Arbeitsfähigkeit (vgl. IV-act. 64/10) hat sich bei wohl unzutreffender Diagnose (vgl. IV-act. 69) nicht eingestellt, wie sich aus den Berichten von Dr. I. vom 19. Juli 2013 (IV-act. 82) und des RAD vom 9. August 2013 (IV-act.

      84) hinreichend deutlich ergibt. Ferner hat auch die Eingliederungsverantwortliche festgehalten, dass die Beschwerdeführerin schon beim sehr tief gehaltenen Druck in der Integrationsmassnahme nahezu überfordert gewesen sei (IV-act. 46). Die Beschwerdegegnerin hat ihren Entscheid, die Beschwerdeführerin in ihrer angestammten Tätigkeit zu 100 Prozent arbeitsfähig zu betrachten, damit begründet, dass Z-codierte Diagnosen vorlägen und sich diese nicht auf die Arbeitsfähigkeit auswirkten (G.4). Das Vorliegen von Z-codierten Diagnosen ist aber aufgrund von Unklarheiten und dem erwähnten Vorbehalt des Gutachters (vgl. IV-act. 64/9) nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt. Vorgeblich abschliessende Beurteilungen sind anzuzweifeln, da ausreichend überzeugende Diagnosestellungen noch nicht als möglich erachtet wurden. Die Beschwerdegegnerin hat weiter geltend gemacht, dass die depressiven Episoden der Beschwerdeführerin remittiert seien. Damit seien sie aktuell nicht vorhanden und könnten deshalb keine Einschränkung bewirken (G.4). Das Gutachten gibt aber lediglich wieder, dass die depressive Episode „gegenwärtig remittiert“ (IV-act. 64/8) sei. Diese Bezeichnung ist nicht mit dem gänzlichen Fehlen eines Leidens gleichzusetzen, sondern bedeutet nur, dass eine Krankheitserscheinung bzw. deren Symptome vorübergehend nachgelassen haben. Gerade bei depressiven Leiden kann bei vorübergehendem Nachlassen der Symptome nicht von einer Heilung ausgegangen werden. Zudem macht die Beschwerdegegnerin geltend, eine leichte bis mittelschwere psychische Störung sei „therapeutisch angehbar“ (G. 4). Damit will sie zum Ausdruck bringen, dass sie die Ansicht vertritt, depressive Leiden könnten in jedem Fall erfolgreich behandelt und in kurzer Zeit überwunden werden. Die Beschwerdeführerin wird seit Jahren therapeutisch betreut und ist auch weiterhin dringend auf diese Betreuung angewiesen. Dass ihr psychisches Leiden „angehbar“ sein soll und daraus ohne Weiteres in Kürze eine volle Arbeitsfähigkeit resultiert, ist bereits durch die jahrelang in Anspruch genommene Psychotherapie widerlegt. Auch das ins Feld geführte Argument, psychosoziale und soziokulturelle Umstände aufgrund instabiler bzw. ambivalenter Beziehungen würden einen invalidisierenden psychischen Gesundheitsschaden ausschliessen (G.4), ist nicht überzeugend. Gemeint ist damit das belastende Zusammenleben der Beschwerdeführerin mit ihrem damaligen Lebenspartner bzw. mit seiner Mutter. Die Beschwerdeführerin hat aber schon seit Längerem eine eigene Wohnung mit ihrem Kind bezogen und sich aus diesem Umfeld

      gelöst. Trotzdem leidet sie auch weiterhin an psychischen Problemen. Dass allein psychosoziale Faktoren Grund für ihre Probleme sein sollen, kann deshalb ebenfalls nicht überzeugen. Die Begründung der Beschwerdegegnerin vermag somit in keinem Punkt einzuleuchten.

    2. Die grundlegende Frage, ob die Beschwerdeführerin an einer tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung gemäss F60-Codierung an einer Persönlichkeitsakzentuierung gemäss Z70-Codierung leidet, ist nach wie vor nicht abschliessend geklärt. Der RAD hat das Gutachten beurteilt und bei der verbleibenden Möglichkeit einer kombinierten Persönlichkeitsstörung eine Persönlichkeitsstörung für wahrscheinlicher als eine Persönlichkeitsakzentuierung erachtet. Dieser Schluss basiert auf dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin sich schon im geschützten Rahmen des (abgebrochenen) Belastungstrainings überfordert gefühlt hat (IV-act.65). Auch in früheren medizinischen Berichten sind sich die Sachverständigen nicht einig darüber gewesen, ob eine Persönlichkeitsstörung eine Persönlichkeitsakzentuierung vorliege. Bei einem unklaren Krankheitsverlauf kann die Frage nach dem Arbeitsfähigkeitsgrad noch nicht abschliessend beantwortet werden. Dr. K. ist zum Begutachtungszeitpunkt von einer Persönlichkeitsakzentuierung ausgegangen. Er hat im Gutachten aber festgehalten, es sei nicht auszuschliessen, dass der weitere Verlauf doch tiefgreifende Persönlichkeitsdefizite mit einer anhaltenden Störung der Impulsund Affektkontrolle zeigen werde, weshalb er differentialdiagnostisch eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen und abhängigen Zügen aufgeführt hat. Sollte im Verlauf der von ihm empfohlenen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bestätigt werden, müssten therapeutische Massnahmen auch zur Stabilisierung des psychischen Zustandes der Beschwerdeführerin auf mittlerem Niveau weitergeführt werden, um die 50-prozentige Arbeitsfähigkeit zu erhalten (IV-act. 64/9). Mit dieser Einschätzung trägt der Gutachter dem Umstand Rechnung, dass psychische Erkrankungen oft erst nach jahrelanger Behandlung richtig diagnostiziert werden können und dies darüber hinaus erst möglich ist, wenn sich der Gesundheitszustand der psychisch erkrankten Person stabilisiert hat. Der in den Akten wiedergegebene Krankheitsverlauf der Beschwerdeführerin lässt auf einen schwankenden Gesundheitszustand schliessen. Dies erklärt auch den vom Gutachter differentialdiagnostisch angebrachten Vorbehalt. Die Beschwerdegegnerin

      hätte den weiteren Verlauf abwarten und sich laufend über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin informieren müssen. Sie hätte nach einer ausreichenden Behandlungsdauer und bei Vorliegen eines stabilisierten Gesundheitszustandes erneute Abklärungen veranlassen müssen. Ein solches Vorgehen hätte im Gegensatz zu den vorliegenden medizinischen Berichten eine eindeutige Aussage zu den psychiatrischen Diagnosen geliefert. Die Beschwerdegegnerin hat somit voreilig verfügt und sich zudem über die Vorbehalte des Gutachters und die Einschätzung des RAD hinweggesetzt. Ohne weitere Abklärungen ist sie bei unklarer Sachverhaltslage davon ausgegangen, dass eine nichtinvalidisierende Z-Diagnose vorliege und der Beschwerdeführerin deshalb eine 100-prozentige Beschäftigung in der angestammten Tätigkeit als kaufmännische Angestellte zumutbar sei. Damit hat die Beschwerdegegnerin ihre Untersuchungspflicht verletzt. Es fehlt eine überzeugende Arbeitsfähigkeitsschätzung, weshalb der Einkommensvergleich zur Ermittlung des Invaliditätsgrades der Beschwerdeführerin nicht richtig sein kann.

    3. Für die richterliche Beurteilung eines Falles sind grundsätzlich die tatsächlichen Verhältnisse bis zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsverfügung massgebend. Tatsachen, die sich erst später verwirklichen, sind jedoch insoweit zu berücksichtige, als sie mit dem Streitgegenstand in engem Sachzusammenhang stehen und geeignet sind, die Beurteilung im Zeitpunkt des Verfügungserlasses zu beeinflussen (BGE 99 V 102 E. 4). Der vom Rechtsvertreter nachgereichte psychiatrische Bericht vom 18. Juni 2015 von Dr. I. ist nach Verfügungserlass erstellt worden. Aus dem Bericht geht hervor, dass der behandelnde Psychiater seit Behandlungsbeginn im Jahr 2011 wiederholt psychische Krisen bei der Beschwerdeführerin wahrgenommen habe und dass er (unter anderem) eine Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.3/8) und eine rezidivierende Depression (ICD 10 F

      33) diagnostiziert hat (G.9.1). Der Bericht betrifft damit auch den Zeitraum vor Erlass der Verfügung (2011 bis 2013) und ist somit geeignet, die Beurteilung im Zeitpunkt des Verfügungserlasses zu beeinflussen. Der Psychiater hat sich zu Diagnosen geäussert, die bereits im IV-Verfahren zur Diskussion gestanden haben. Ein enger Zusammenhang zum Streitgegenstand ist damit gegeben. Aufgrund der Diagnoseproblematik bei rezidivierenden, psychischen Problemen ist die Einschätzung des behandelnden Psychiaters wegen der langen Behandlungsdauer und der regelmässigen Betreuung als starkes Indiz zu werten, zumal der begutachtende Dr. K. eine

      Persönlichkeitsstörung nicht ausgeschlossen und auch der RAD eine solche für wahrscheinlicher als eine Persönlichkeitsakzentuierung erachtet hat. Mit dem vorliegenden Bericht hat sich nun der Verdacht erhärtet, dass eine Persönlichkeitsstörung bei der Beschwerdeführerin vorliegen dürfte. Die unbegründete Annahme der Beschwerdegegnerin, es lägen lediglich nicht-invalidisierende Z- Diagnosen vor, vermag bei dieser Aktenlage nicht zu überzeugen. Weitere psychiatrische Abklärungen sind jedenfalls angezeigt.

    4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl das Valideneinkommen als auch das zumutbare Invalideneinkommen vorliegend nicht genügend abgeklärt worden sind. Die Beschwerdegegnerin ist ihrer Abklärungspflicht (Art. 43 Abs. 1 ATSG) nur ungenügend nachgekommen. Damit ist die angefochtene Verfügung in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes erlassen worden. Sie ist als rechtswidrig zu qualifizieren und deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur weiteren Abklärung des medizinischen Sachverhalts und der Validenkarriere sowie zur anschliessenden Bemessung des Invaliditätsgrads und zur neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

3.

Die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rückweisung an die Verwaltung zur Durchführung weiterer Abklärungen gelten rechtsprechungsgemäss hinsichtlich der Kostenund Entschädigungsfolgen als vollständiges Obsiegen der Beschwerde führenden Partei. Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat deshalb die gemäss Art. 69 Abs. 1bis IVG zu erhebenden und angesichts des durchschnittlichen Aufwands auf Fr. 600.-festzusetzenden Gerichtskosten zu bezahlen. Der Beschwerdeführerin ist der geleistete Kostenvorschuss zurückzuerstatten. Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung, die vom Gericht ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen wird (Art. 61 lit. g ATSG; vgl. auch Art. 98 ff. VRP/SG, sGS 951.1). Wie in vergleichbaren Fällen üblich, ist die Parteientschädigung auf Fr. 3'500.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass die Verfügung vom 6. November 2013 aufgehoben und die Sache zur weiteren Abklärung und zur neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen wird.

2.

Die Beschwerdegegnerin hat eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-zu bezahlen. Der

Beschwerdeführerin wird der Kostenvorschuss von Fr. 600.-zurückerstattet.

3.

Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von

Fr. 3‘500.-- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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